Der Schweiß steht mir auf der Stirn. Eng verpackt liege ich zwischen meiner Verwandtschaft und warte auf meinen großen Auftritt. Die Aufregung steigt, ich bin aufs Äußerste angespannt. Gleich ist es so weit! Doch der Reihe nach:
Es war einmal, in einem Büro am Rande von Hamburg, da hatten M+O-ler das ganze Jahr über fleißig wie die Ameisen gearbeitet. Im Jahresendspurt bemerkten einige, dass 2019 noch kein Grill im Innenhof gestanden hatte. Der Entschluss stand somit fest: Der Grill glüht noch im Dezember!
Schnell bildete sich ein kleines Team aus vier Mitarbeitenden, um ein Grillen zu organisieren. „Zuerst fragten sie sich, was wohl das Wichtigste ist beim Grillen?“. Das Motto, ganz klar. Zur Jahreszeit sollte es passen, sich aber von Weihnachtsfeiern abheben. Einfach nur „Wintergrillen“? Nein, entschieden sie, dann doch lieber „Grillen gegen die Winterdepression!“.
Warten auf den großen Auftritt
Von alldem bekam ich nicht viel mit, eng verpackt und schwitzend neben den anderen Tofuwürstchen. Im Gegensatz zum Grillen selbst: Erst einmal liege ich da eine ganze Weile auch nur rum, aber dann kommt Bewegung in die Gruppe vor dem Grill. Schnellen Schrittes nähern sich vier Gestalten. Im ersten Moment bin ich etwas überrascht. Was haben die denn für eigenartige Dinge auf dem Kopf? Zwei tragen Rentiergeweihe, eine sieht aus wie ein Schneemann und die vierte wie ein Weihnachtsmann. Trotz dieses merkwürdigen Aufzugs bin ich mir aber fast sicher, dass es dieselben sind, die mich aus dem Supermarkt adoptiert haben. Jetzt kommt mein großer Auftritt, denke ich, doch dann das: Statt loslegen zu können, lassen sie uns Tofuwürstchen weiter warten, gehen zur anderen Seite des Grills und holen dort das Schreckliche, vor dem meine Mutter mich immer gewarnt hatte: riesige, saftige Steaks. Gleich mehrere von ihnen werfen sie direkt auf den Grill. Kaum haben die Steaks den Grillrost berührt, stehen schon die ersten Mitarbeitenden vor ihnen. Bisher hatten sie allesamt von drinnen mitleidig zu den vier Gestalten in der Kälte geguckt, die mich und meine Verwandten adoptiert haben und jetzt die blöden Steaks grillen statt uns.
Die Konkurrenz wird gegrillt
Die Steaks gehen weg wie warme Semmeln. Was haben die nur, was ich nicht habe? Kaum ist eins auf einen Teller gewandert, findet schon das nächste seinen Weg auf den Grill. Doch auf einmal bemerke ich eine schnelle Bewegung neben mir. Drei von uns werden nun endlich auch zu ihrem Auftritt abgeholt. Voller Freude wünsche ich ihnen alles Gute und beobachte gespannt, was passiert. Nichts! Lange Zeit passiert einfach gar nichts. Gelegentlich dreht sich ein Tofuwürstchen, doch alle haben nur Augen für die Steaks. Die Steaks sind es, die gebannt fixiert werden. Die anderen Leckereien auf dem Grill müssen sich mit flüchtigen Blicken zufrieden geben. Gewiss, wir Tofuwürstchen sind deutlich kleiner als die Steaks nebenan. Wir duften auch nicht so gut und bleiben eher blass. Doch wer kennt das nicht? Du liegst stundenlang in der Hitze und wirst doch nicht braun.
Dennoch sind wir fest entschlossen, einen großartigen Auftritt hinzulegen. Denn es sind unsere inneren Werte, die uns richtig gut machen. Und dann geht es plötzlich ganz schnell: Eine kleine Gruppe hat sich um meine Würstchenverwandtschaft gebildet und nach und nach bekommen sie die Chance, ihr Können zu zeigen. Meine Nervosität steigt, bestimmt bin ich jetzt bald dran. Doch von wegen: Während ich mich mental darauf vorbereite, mich auf dem heißen Grill von meiner besten Seite zu präsentieren, wird der Grill einfach ausgeschaltet und eine ganze Schar von Mitarbeitenden fängt an aufzuräumen. Ich gerate in Panik, haben die mich etwa vergessen? Nach und nach verschwindet alles. Nur ich und meine Verwandten bleiben traurig in unserem braunen Pappkarton zurück.
Und wenn du denkst, es geht nichts mehr …
Aber dann, plötzlich fixieren mich zwei grüne Augen. Schon während des Grillens haben sie mich genau beobachtet. Und bevor ich mich versehe, landen wir in einem dunklen Rucksack. Ich atme auf – bestimmt kommen wir wenigstens in die Pfanne!
